Wieviele Menschen an chronischen Scmerzen leiden, lässt sich nicht genau sagen. Schätzungen zufolge leidet jeder 8. Österreicher unter chronischen Schmerzen. Vor allem Kopf- und Rückenschmerzen lassen Leidgeprüfte ständig zur Tablette greifen. Angesichts der Nebenwirkungen für Magen, Leber und Nieren ist das keine Lösung. Wenn dann auch Tabletten nicht mehr helfen, verzweifeln viele.
Was chronische Schmerzen wirklich bedeuten, kann nur jemand nachvollziehen, der selbst unter ihnen gelitten hat. Ein normaler Schmerz, so stark er auch sein mag, geht relativ schnell vorbei. Bleibt er aber bestehen oder kehrt ständig wieder, kann man nicht mehr von einer sinnvollen Warn- oder Schutzfunktion des Körpers sprechen – dann ist aus dem akuten ein chronischer Schmerz geworden. Eine eigenständige Krankheit, die selbst alltägliche Dinge wie Anziehen, Waschen, Bücken, Sitzen oder Stehen zur Tortur werden lässt.
Die Betroffenen können in der Regel nicht mehr ihren Beruf ausüben, leiden unter Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit und Erschöpfung. Die Folge: Sie vernachlässigen oft ungewollt Partner und Freunde, geraten in soziale Isolation. Typisch für chronische Schmerzpatienten ist auch, dass sie jegliche Lebensfreude verlieren und depressiv werden.
Was sind chronische Schmerzen?
Sind die Schmerzen erst einmal chronisch geworden, können nur noch Fachleute helfen. Österreich – so die Meinung vieler Schmerztherapeuten – ist ein Entwicklungsland, wenn es um die Versorgung von Patienten mit chronischen Schmerzen geht. Tausende Patienten gelten bei uns als behandlungsresistent, das heißt, ihnen kann nicht mit einfachen Schmerzmitteln geholfen werden. Bei ihnen hat sich bereits ein sogenanntes Schmerzgedächtnis im Nervensystem gebildet. Und das ist mit normalen Mitteln und Methoden nicht zu löschen. Man bräuchte dafür gut ausgebildete Schmerztherapeuten, doch die sind rar.
Oft beginnt der Weg in eine „Schmerzkarriere“ mit Vernachlässigung. Jede Form von Schmerz sollte sehr ernst genommen und entsprechend behandelt werden. Akuter Schmerz dauert nur kurze Zeit an und soll den Körper vor Verletzungen und Gefahren warnen. Schmerzrezeptoren, verteilt über den ganzen Körper, reagieren auf bedrohliche Reize und leiten sie über Nervenbahnen zunächst an das Rückenmark. Von dort aus gelangen sie ins Gehirn. Im Gehirn wird das Signal in Zusammenhang mit anderen Sinneseindrücken sozusagen bewertet. Schmerzverarbeitung und Schmerzwahrnehmung finden in mehreren, unterschiedlichen Gehirnbereichen statt.
Damit wir nicht ständig Schmerzen verspüren, besitzt der Körper auch ein Schmerzunterdrückungssystem. Körpereigene morphinähnliche Stoffe – sogenannte Endorphine – dämpfen normalerweise akute Schmerzreize sehr schnell. Wenn ein Schmerzreiz allerdings sehr stark ist und zum Beispiel nach Unfällen oder Verletzungen länger andauert, kann unser Endorphinsystem auch überlastet werden und versagen. Die Ausschüttung schmerzlindernder Substanzen reicht dann nicht mehr aus, um das Dauerfeuer an den Nervenzellen im Rückenmark zu unterbinden.
Starke, ständig wiederkehrende Schmerzreize können Nervenzellen verändern und damit kann das fein aufeinander abgestimmte Regelsystem aus erregenden und dämpfenden Impulsen aus den Fugen geraten. Danach führen dann selbst schwache Reize oder Berührungen zu starken Schmerzen, eine sogenannte Gedächtnisspur oder auch ein Schmerzgedächtnis bildet sich aus. Das Gehirn kann infolgedessen sogar selbst Schmerzsignale produzieren. Chronische Schmerzpatienten können Schmerzen verspüren, ohne dass es einen konkreten, offensichtlichen Anlass dafür gibt.
Das beste Beispiel für ein Schmerzgedächtnis sind die sogenannten Phantomschmerzen. Noch Jahre nach Amputationen verspüren Patienten immer wieder Schmerzen in einem Körperglied, das gar nicht mehr vorhanden ist. Hier gehen die Schmerzen vom Nervensystem selbst aus. Ein Grund für Phantomschmerzen, so vermuten Mediziner, ist die Stärke der Schmerzen vor der Amputation. Je schlimmer dieser Schmerz war, desto stärker sind auch die Phantomschmerzen, sozusagen als Erinnerung an diesen Schmerz.
Auch eine schlechte Schmerzversorgung während und nach Operationen, bei länger anhaltenden Rückenerkrankungen oder bei Tumorbildungen kann durch Dauerbelastung der Nervenzellen zu chronischen Schmerzen führen. Im Falle der Phantomschmerzen von Amputierten konnten Wissenschaftler nachweisen, dass es im Gehirn tatsächlich zu Veränderungen kommen kann. Das hat zum Umdenken in der Schmerzversorgung geführt.
Wege aus dem chronischen Schmerz
Das Stichwort lautet: ganzheitliche Schmerztherapie. In der Regel bringen ganzheitliche Therapiekonzepte Erfolge bei chronischen Schmerzen. Dazu gehören unter anderem Verhaltenstherapie und Entspannungsverfahren. Das Beispiel Phantomschmerz verdeutlicht: Schmerz kann auch eine Sache des Kopfes sein, und ein Teil des Nervensystems selbst kann Ursache von Schmerzen sein (Neuropathie). Schmerzempfinden ohne Beteiligung der Psyche gibt es nicht.
In der Erkenntnis liegt heute auch eine Therapiechance: Das Schmerzgedächtnis kann auch wieder gelöscht – besser gesagt – überschrieben werden. Erst dann können Patienten wieder lernen, dass sie bestimmte Situationen, bestimmte Bewegungen nicht meiden müssen. Wer sich wieder normal verhält und bewegt und das auch bewusst schmerzfrei erlebt, kann typische Schmerzsituationen wieder vergessen. Allein die daraus neu wachsende Hoffnung auf Heilung kann das körpereigene System zur Schmerzhemmung wieder stimulieren, also die Ausschüttung von Endorphinen ankurbeln. Dieser Prozess wird auch vom Gehirn kontrolliert.
Die Osteopathie kann dieses ganzheitliche Konzept unterstützen. Außerdem sollen über die psychische Ebene alle Situationen gefördert werden, die Schmerzen vergessen lassen oder die Schmerzen aus dem Bewusstsein ausblenden. Auch Entspannungsverfahren können eine Strategie sein, weitgehende Schmerzlinderung zu erfahren und mehr Freiheit im Alltag zurückzugewinnen. Es gilt, den Teufelskreis von Schmerzerfahrung, Anspannung, Verkrampfung und Angst vor neuen Schmerzen zu unterbrechen. Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen, Yoga, Autogenes Training, Meditation, Biofeedback oder Hypnose sind nur einige Verfahren, die dabei helfen können.
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